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Was ist Computerkunst?

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Lesedauer: 8 Minuten

Kunstrichtung oder Technik?

Computerkunst, das ist zunächst Kunst am oder mit dem Computer. Ihr Wesen ist, dass sie im Gegensatz zur analogen Kunst digital ist. Dabei lässt sich trefflich streiten, ob digitale Kunst oder Computerkunst eine eigene Kunstrichtung ist, oder ob der Computer nur ein Werkzeug, vergleichbar einem Pastellkreidesatz, ist.

Der Computer bietet neue Techniken für Kunstschaffende, die es in der analogen Welt vorher so nicht gab. Genauer müsste man eher sagen „Computermalerei“ oder „Computerzeichnungen“ u.ä. Es würden auch Begriffe wie „digitale Malerei“ oder „digitale Zeichnungen“ unmittelbar einleuchten, etwa wenn man an einem Tablett mit einem Touchpen Kunst erschafft. Dazu reicht sogar der Finger auf einem Smartphone. Beispiele dazu etwa hier in meiner Galerie zu digitaler Kunst.

Verschärft wurde die gesamte Thematik in jüngster Zeit durch die rasanten Entwicklungen im Bereich der KI (künstliche Intelligenz). Mittlerweile können solche KIs, angeleitet durch vergleichsweise wenige Kommandos oder Vorgaben beeindruckende „Kunstwerke“ erschaffen. Dazu in einem späteren Abschnitt mehr.

Doch zunächst zurück zur Computerkunst allgemein.

„Malen wie am…“

Man kann heutzutage zum einen an einem Tablett u.ä. malen, zeichnen, konstruieren etc. „wie in echt“. Also wie man es aus der haptischen Welt gewöhnt ist. Dabei sind die technischen Möglichkeiten, verschiedene Parameter zu wählen und Techniken zu kombinieren um ein Vielfaches höher als in der analogen Welt. Letzteres zumindest, wenn man den Aufwand in Betracht zieht.

Rechnen lassen

Beugungsbild eines kreisförmigen Spaltes mit mehreren Fehler
Beugungsbild eines kreisförmigen Spaltes mit mehreren Fehlern

Zum anderen aber lassen sich mit algorithmischen Mitteln Kunstwerke erschaffen. Etwa durch Computerprogramme wie es manche ernstzunehmende Künstler durch direkte Programmierung einer Schnittstelle tun. Oder auch ich selbst durch mein eigens programmiertes Beugungsprogramm, welches ursprünglich aus dem wissenschaftlichen Kontext stammt.

Darüber hinaus sind u.a. Kombinationen dieser beiden Arten von digitaler Kunst denkbar. Etwa durch ein Raytracing-Programm, 3D-Grafiken und Animationen (wie Blender u.ä.). Auch die special Effects in vielen Filmen wie z.B. Inception, Hugo Cabret u.v.m. sind weitaus mehr als Beiwerk zum Film, ordnen sich aber irgendwo in die Filmkunst ein. Dennoch sind auch diese „Effekte“ digitale Kunst. Oder eben Computerkunst.

Computerkunst vereint also sehr viele Techniken und vor allem noch längst nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten. Geradezu ein neues Universum. Dennoch müsste man eigentlich einen Begriff vergleichbar zu „Malerei“ oder „Bildhauerei“ erschaffen. Doch bei „Computerei“ denkt zunächst niemand an Kunst. So kommt es, dass ich den Begriff Computerkunst verwendet habe. Ich will aber dennoch nicht ausschließen, dass die Computerkunst eine eigene Kunstrichtung hervorbringen wird, oder dies schon getan hat. Es wird oder würde ja ausreichen, wenn sich Gruppen von Computerkünstlern zusammen tun, und gemeinsam Kunst und eine gemeinsame Kunstrichtung erschaffen. [1]

Ursprung der Computerkunst

Man kann vermutlich sagen, dass der Computer mit Konrad Zuse seinen Anfang in der 1940er Jahren nahm. Auch gab es in den 1960er Jahren erste Pioniere, die mit Computern Kunst erschufen. Das war der zarte Beginn der Computerkunst. Doch erst, als der Computer der breiten Menschheit verfügbar wurde, in der 1980ern, zeichnete sich eine exponentielle Entwicklung der IT ab. [1]

Die 80er – die Zeit, in der Computer endlich für die breite Masse verfügbar wurden, in der Kunst und Computer für mehr Menschen zusammen trafen. Das war die Zeit in der auch ich erstmals Kontakt mit Computern hatte. Mein erster Computer war zwar nur ein C64, aber ein eigener Computer. In unserer Straße immerhin wurde aus einem Nachbarkeller heraus eine kleine, vierköpfige, auf IBM-Rechnern basierende Computerfirma groß gezogen. Diese ist schließlich heute in über 50 Ländern vertreten, hat über 600 Mitarbeiter und macht fast 80 Millionen Euro Umsatz… Nun – so groß wie der allgemeine Erfolg von Computern in den letzten vier Jahrzehnten war der Erfolg des Computers in der Kunst mitnichten.

Woran liegt das aber? – Vermutlich an den besonderen Eigenschaften des Computers und dann im Speziellen an dem besonderen Verhältnis von Kunst und Computern.

Was ist Kunst?

Eine Definition ist schwierig. Ich versuche es mit vier Zitaten:


Karl Joseph Stieler, Public domain, via Wikimedia Commons

„Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen.“

— Johann Wolfgang von Goethe

Josef Anton Trčka, Public domain, via Wikimedia Commons

„Kunst ist eine Linie um deine Gedanken.“

— Gustav Klimt

Carl Van Vechten, Public domain, via Wikimedia Commons

„Kunst ist nicht alles. Sie handelt nur von Allem.“

— Gertrude Stein

Blaues Sofa from Berlin, Deutschland, CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons

„Kunst ist Anklage, Ausdruck, Leidenschaft!“

— Günther Grass

Oder m.E. eben eine sehr spezielle Form der Kommunikation.

Kunst  als Kommunikationsform

Kunst als Kommunikation
Das Hemd

Die Kunst ist aus meiner Sicht also vor allem eines: Kommunikation zwischen Künstler und Betrachter.

Daraus folgt sofort, dass der/die Künstler/in mithilfe des von ihm/ihr gewählten Schaffensmedium gut kommunizieren können muss, um mit seiner/ihrer Kunst eine klare Botschaft auszusenden. Ein Affe beispielsweise kann Farbe auf eine Leinwand bringen und „abstrakt“ malen (man darf sich dabei sicher fragen, ob und was er abstrahiert). Aber er kann z.B. kein expressionistisches Stillleben erschaffen. Das scheitert schon primär an seiner fehlenden Feinmotorik. Erst in zweiter Linie kann man dem Affen unterstellen, dass er ein reales Objekt nicht expressionistisch abstrahieren könnte. Doch ist hier Vorsicht geboten! Bleiben wir beim Menschen in der Kunst. Kunst als Kommunikationsform.

Der Mensch als kommunizierendes Wesen

Der Mensch kann nicht nicht kommunizieren (Paul Watzlawick). Doch zeichnet sich bedeutende Kunst (als Kommunikationsform) besonders aus. Dieses Besondere kann etwa besondere Qualität, Neuartigkeit oder eine tiefgründige Botschaft sein. Deshalb muss sich auch die Form, derer sich die Kunst bedient, besonders auszeichnen. Schließlich ist die Kommunikationsform „besonders“ für die durch die Kunst Kommunizierenden, also Künstler und Betrachter. Menschen haben immer schon durch Laute, Töne, Wörter, Sprache, Skulpturen, Symbole und Bilder kommuniziert. Im letzten Jahrhundert kamen die Telekommunikation und bewegte Bilder, Filme, Videos hinzu.

Der Computer in der Kunst

Aber wo ist die besondere Kommunikationsform am Computer? Die Antwort auf diese Frage beantwortet entsprechend auch die Frage, was Computerkunst ist. Ganz allgemein ist es die IT – also die Technik, die Informationstechnik.

Menschen können den Computer nutzen, um durch Software mit einander zu kommunizieren. Was das für Software ist, muss währenddessen in diesem Zusammenhang kaum eingegrenzt werden. Einerseits sind es sicherlich Bereiche wie social media oder auch multi player gaming. Beispiele sind Minecraft, Fortnite, Facebook, Youtube, Whatsapp, Email, SMS, … in denen Menschen direkt oder über das Medium miteinander kommunizieren. Andererseits virtualisiert bzw. kopiert die IT auch alle bisher schon für den Mensch dagewesenen Kommunikationsformen (siehe oben).

Computerkunst – ein Misserfolg?

Schlafender Michel

Revolutionen in der IT

In der Computerwelt, in der IT, der Computertechnik wurde in den letzten 40 Jahren ein Rekord nach dem anderen gebrochen. Immer „höher, schneller, weiter“. Geradezu neue Dimensionen haben sich für Technik und Wissenschaft aufgetan. Unsere heutige Welt wäre ohne diese Entwicklung so gar nicht denkbar. Die Flugbahnberechnung für den Flug zum Mond, 1969 noch ein Mammutprojekt, ist heute nur noch eine Standardrechnung, die heutige Computer in höchstens Minuten bewältigen.

Dieses Revolutionäre, dieses radikal Andere gab es in den Computeranwendungen im Bereich der Kunst nicht annähernd wie in Bereichen wie Naturwissenschaft, Medizin, Finanzsektor o.a.

Genau hier könnte man theoretisch einen Misserfolg der Computerkunst sehen. Diese oben beschriebenen durch Computer erschlossenen Kommunikationsformen sind nicht annährend so disruptiv, so umwälzend und neu für die Kunst, wie es hingegen immer wieder verschiedene Formen der IT für andere Bereiche waren und sind (Digitalisierung, Internet, Big Data, künstliche Intelligenz, …).

Menschen machen Kunst

Stattdessen sind die Formen der Kommunikation durch Computer meist eine Wiedervorlage bereits schon durch analoge Medien bekannte Formen. Die meist visuelle Welt wird durch die riesigen Möglichkeiten heutiger Hard- und Software dennoch enorm erweitert. Auf der Suche nach Neuem in der Computerkunst begegnet man aber oft nur Bekanntem aus der analogen Welt. Das radikal Neue in diesem Bereich bleibt dem kunstinteressierten und kunstschaffenden Menschen oft verborgen.

Doch darf man hier nicht vergessen, dass der Künstler ja mit dem Kunstbetrachtenden kommuniziert. Eine Kommunikation zwischen Menschen. Vielleicht ist es diese menschliche Grenze, die der Computerkunst Schranken aufzeigt. Deutlich mehr, als wir es etwa in Physik oder Medizin gewohnt sind.


„Der Mensch kann den Computer nur insofern verstehen, als dieser auch auf menschlicher Ebene kommuniziert.“

— SH

Nichts, was für einen „großen Durchbruch“ geeignet wäre. Aber vielleicht geht es darum auch nicht? Vielleicht geht es mehr darum, der Kommunikation, der Kunst in unserer technologisierten, globalen Welt neue Türen zu öffnen, auch dort wo Altes keinen Bestand mehr hat?

Ein anderer Schwachpunkt der Computerkunst ist die fehlende Originalität, lässt sich doch jedes durch sie geschaffene Kunstobjekt 100 prozentig und beliebig oft kopieren. Hier finden sich natürlich ähnlich wie mit Drucken (etwa bei Radierungen früher schon) Auswege „Originailtät“ zu erschaffen. Das Einzige bleibt dennoch etwas besonderes.

Ein neues Universum

Dennoch ist klar, dass die drastische Entwicklung im IT-Bereich in den letzten 40 Jahren auch der Kunst ein ganzes Universum an Möglichkeiten eröffnet hat. Viele Künstler haben dies enorm genutzt und große Schritte im Bereich der digitalen Kunst gemacht. Oft liegt das Revolutionäre an dieser neuen Kunst im Verborgenen, da die verwendete Technik sich im Verborgenen hält. Nur das für den Menschen Verständliche, das sich an die Kunstbetrachtenden richtende, tritt zutage.

KI-Kunst

Alien Rabbit (KI-Bild)
Die KI DALL-E3 – ein möglicher Output (!) vom Kommando: „Extremely high detailed colored ink illustration, rabbit, alien hybrid, close up , forest environment, warm hazy floor lighting, cinematic lighting, octane render, sharp focus, clean shaped“

Innerhalb des breiteren Kontexts der Computerkunst wirft neuerdings vor allem die Entwicklung von KI-Kunst spannende Fragen auf. Während traditionelle Computerkunst auf Algorithmen und digitale Medien basierte, eröffnet KI-Kunst neue Möglichkeiten durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz. KI kann den Stil großer Künstler erfassen und auf neue Werke übertragen oder völlig neue künstlerische Ausdrucksformen schaffen. Diese Fortschritte haben jedoch auch Debatten über die Definition von Kunst entfacht. Einige argumentieren, dass Kunst immer noch menschliche Kreativität und Ausdruck erfordert, während andere die kreative Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine als neue Form der Kunst betrachten. Die Zukunft der KI-Kunst bleibt offen, aber sie hat zweifellos das Potenzial, die Grenzen der künstlerischen Praxis zu erweitern und neue Dialoge über Kunst und Technologie zu initiieren.

Meine eigene Computerkunst

Meine eigenen, autodidaktischen Computerkunst-Werke habe ich hier unter Blitz-ART-ig eingestellt. Was auch zeigt, wieviele Möglichkeiten schon ein Durchschnittskünstler hat, um mit Computern Kunst zu machen.

weißer Blitz auf schwarzem Grund
„Blitzgedanke“

Meine erste Computergrafik für das Blitzgedanken-Projekt war 2003 dieser „Blitzgedanke“ bzw. „Gedankenblitz“ damals gemalt mit Gimp und einem Touchpad am Mac. Die Grafik diente als Begrüßungsseite für eine einfache HTML-Seite, die seinerzeit im Netz zu finden war.

Die neueste Entwicklung meiner eigenen Computerkunst ist dann in der Tat die „KI-Kunst“. Beispiele dazu sind hier zu finden.

Fazit

Heute hat auch der Computer in der Kunst seinen Platz gefunden. Durch Animation und Rendering lassen sich digitale, realistisch wirkende, teils bewegte Objekte erschaffen.

Kunst und Computer
gerenderte Kugel mit Schachmuster

Es gibt eine Unmenge an animierten Filmen und Filmen mit digital Effects, die klar einen künstlerischen Anspruch haben. Auch ist denkbar, eine virtuelle Welt – wie z.B. eine Minecraft-Welt – als Kunstobjekt zu sehen. Das sind Alleinstellungsmerkmale des Computers in der Kunst. Doch auch die schon bis zum letzten Jahrhundert erschlossenen Kommunikationsformen bieten in der durch den Computer virtualisierten Form Stoff für bedeutende und vor allem interessante Kunst.

Voraussetzung ist, dass der Künstler Zugang zur verwendeten Technik hat oder sich zu eigen macht. Dadurch dass Computer heute vollständig im Alltag integriert sind, ist auch die Computerkunst ein selbstverständlicher Teil der Gesamtspektrums der Kunst. Immer mehr Menschen haben die Möglichkeit, sich durch Computer auszudrücken, und zwar auf sehr niederschwellige Art und Weise. Dadurch werden auch in Zukunft immer mehr besondere Computerkunst-Objekte entstehen.

Digitale Kunst ist eine wichtige Ergänzung zur analogen Kunstwelt, wenngleich auch manchmal nur eine Kopie letzterer. Es gibt sehr viele ermutigende Gegenbeispiele für diesen letzten Nachsatz. Aus meiner Sicht fehlt es aber an künstlerisch und zugleich technisch versierten Menschen, die in der Computerkunst eine eigene Kunstform erschaffen könnten – so wie Anfang letzten Jahrhunderts etwa mit der abstrakten Kunst geschah.

Die neusten, disruptiven Entwicklungen im Bereich der KI-Kunst führen zu noch drängenderen Fragen, stellt sich hier doch die Frage, ob Maschinen selbst Kunst schaffen können. Was ist noch der Anteil der/des menschlichen Künstler/in? Bestimmt in Zukunft die Qualität der KI, die in der Regel gut bezahlt werden muss, über die Qualität der „Kunst“, die ja nunmehr gewissermaßen von Maschinen assimiliert wird? Quo vadis, Computerkunst?

Überarbeitete Fassung, SH 04.2024

Update, SH 23.09.2021

Originalfassung, SH 24.03.2019

[1] Credits: für neue Anregungen und Impulse danke ich ganz herzlich V. Diefenbach.

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